Ingenieur Heinz Richter: Radiobasteln für Jungen

Bild: Heinz Richter (1909 - 1971) an der Basiseinheit des KOSMOS "Elektronik-Labor X".

Heinz Richter: Ein UKW-Vorsatz-Gerät

Wenn die Radioempfänger komplizierter werden, geht es mit dem Baukastenprinzip nicht mehr: Es ist mechanische Arbeit und vor allem richtiges Löten gefragt. Im berühmten Buch "Radiobasteln für Jungen" von Ing. Heinz Richter waren interessante, wenn auch nicht immer fehlerfreie Beschreibungen.

Zunächst sei ein UKW-Vorsatzgerät vorgestellt, das den Empfang vieler UKW-Sender im Kopfhörer und des BOS-Funks im 3-Meter-Band ermöglichte. Man beachte im Schaltbild den etwas gewagten Antennenanschluss über (Pseudo-)Schutzkondensatoren an das beim Allstromgerät unter Umständen spannungführende Chassis! Eine einfache, gut isolierte Koppelspule ist sicherer und hätte auch einen einigermassen symmetrischen 240 Ohm Eingang ergeben, was damals Standard war.

Beim hier vorgestellten Gerät wurde der Eingang für 75 Ohm asymmetrisch eingerichtet und ein dreiadriges Schuko-Netz-Kabel (Chassis geerdet) montiert. Letzteres ist aber auch ein Notbehelf, denn hinter FI-Sicherungen kann dies Probleme geben.
Mit diesem Gerät war es bei der damaligen dünnen Belegung des UKW-Bandes möglich, den UKW-Sender Feldberg (im Taunus) des HR bei Zürich regelmässig - wenn auch schwach - zu empfangen (ca. 345 km).

Das Schaltbild des Pendel-Audions:





...und der entsprechende aktuelle, möglichst originalgetreue Aufbau:




Im Folgenden ein Video (mp4), welches das Gerät im Betrieb zeigt:

Die beiden Knacks am Anfang (Rückspringen des Anodenstromes beim Einsetzen der Hochfrequenz- und der Pendel-Schwingung) und das folgende Rauschen sind - wie im Buch beschrieben - klar zu hören. Ebenso zeigen sich die zweideutige Flanken-Abstimmung (besonders beim Song "Moonlight Shadow") und die gute Trennschärfe:



Video: UKW-Pendel-Audion beim Einschalten und beim Flankenwechsel (mp4)


Audio: Mit dem gleichen Gerät: Autoruf im 4 m-Band vom Sender Säntis (mp3)





Heinz Richter: Ein Superhet-Empfänger

Auch dieses Gerät entstammt dem erwähnten Buch. Es erreicht in seiner Leistung diejenige einfacherer gekaufter Radios mühelos. Und damalige (Röhren-)Radios sind im Mittelwellenbereich besser als die darauf folgenden transistorisierten. Auch dieses Schaltbild bedurfte kleiner Korrekturen.



Das Schaltbild:




Der praktische Aufbau (Nachbau mit Teilen aus der 'Bastelkiste'):
Zusätzlich eingebaut eine Abstimmanzeigeröhre EM 87 (magisches Band) und eine 9 kHz-Sperre.







Video: Dieser Empfänger an kurzer Drahtantenne in Betrieb



Die Brücke zur neu aufkommenden Transistor-Praxis baute Richter mit einem Transistor-NF-Verstärker an das vorher gebaute Detektor-Gerät (Kristall-Empfänger). Die Schaltung mit zwei Batterien und zwei "Ein/Aus-Schaltern" ist noch etwas exotisch und der Transistor (z. B. OC 70) kostete damals um 12 DM/sFr, heute umgerechnet wohl etwa 35 Euro.


Bild: Kristallempfänger mit Transistorverstärker (Eingangskreis nicht vollständig eingezeichnet).



Im Folgenden das Schaltbild des weiter unten erwähnten Allstrom-Einkreisers (in späteren Auflagen kamen dann ein Netztrafo und ein Schuko-Stecker zum Einsatz):






Der folgende Beitrag wurde ursprünglich für das Heft 105 (erschienen Ende 2023) des Fördervereins Rundfunk&Museum (Fürth) geschrieben.

Ein Erlebnisbericht:

Von Wilhelm Fröhlich zu Heinz Richter:

Der magische Pendelrückkopplungs-Empfänger mit zweimal UAF 42

Kaum hatte ich den Radiomann "durchgearbeitet", kam das Verlangen nach "Höherem". UKW hiess damals das Zauberwort und ich besorgte mir den Klassiker Radiobasteln für Jungen von Heinz Richter. Hier zog mich sofort der Pendelrückkopplungs-Empfänger in seinen Bann. Man brauchte dazu nur zwei Röhren mit der für mich damals magischen Bezeichnung UAF 42, wozu mein Taschengeld sicher reichen würde.

Aber da war ich als 14-Jähriger in eine andere "Liga" geraten mit ganz neuen Herausforderungen. Ich suchte in Zürich ein Geschäft für Radio-Einzelteile auf und legte dem Verkäufer das Schaltbild des erwähnten Empfängers vor mit dem Wunsch nach Aushändigung der entsprechenden Bauteile. "Ja, hast du denn dazu keine Stückliste erstellt?", fragte der Verkäufer mit Stirnrunzeln. Er hatte aber Mitleid und zeigte mir auf der Ladentheke, wie dies gemacht wird.

Und schon kam die nächste Hürde: "Wieviel Alu-Blech möchtest du haben"? Spontan sagte ich: "Einen Quadratmeter". Das sei etwas viel, meinte der Verkäufer lächelnd und gab mir zum Glück ein wesentlich kleineres und passenderes Stück.

Bei den "Schutzkondensatoren" an der Antennen-Eingangsspule kam das nächste Problem: Im Schaltbild waren ihre Werte mit je 90 pF angegeben, der Verkäufer hatte aber nur solche von 100 pF. Ich fragte schüchtern, ob das Gerät auch so funktionieren würde. Aus heutiger Sicht gab er darauf eine seltsame Antwort, die mir noch heute nicht in den Kopf gehen will: "Ja, das musst du schon selber wissen." Der Verkäufer war - wie ich erst viel später erfuhr - Amateurfunker (anlässlich seines tragischen Todes durch Stromschlag am Kopfhörer eines Allstromgerätes). Eine bessere Antwort auf meine Neulings-Frage hätte ihm eigentlich nicht schwerfallen dürfen.

Die letzte Hürde bei diesem Einkauf aber war die kniffligste: Richter (und das Schaltbild) verlangten einen "Spezial-UKW-Drehkondensator, wie er zur Zeit von der Firma NSF in Nürnberg geliefert wird. Der Rotor darf nicht an Masse liegen". Derlei war in diesem Geschäft nicht erhältlich und ich entschied mich in der Not für einen Drehkondensator mit Rotor an Masse, den ich aber auf ein isoliert ins Chassis eingelassenes Pertinaxplättchen zu montieren beabsichtigte. (Hier wäre eine sachte Meinungsäusserung des Verkäufers eher angebracht gewesen). Und heimwärts ging es.

Der Aufbau des Gerätes ging recht problemlos und bald stand das Gerät für die mit Spannung erwartete Inbetriebnahme bereit: Das Aufheizen der Röhren schien "unendlich" lange zu dauern. Aber da: Der erste Knacks, unmittelbar gefolgt vom zweiten Knacks und dem ersehnten Rauschen. Alles genau wie im Buch beschrieben. Riesige Freude kam auf - aber sie währte nicht lange: Trotz sorgfältigen Suchens war kein Sender zu vernehmen. Ich war schliesslich am Ende meines Lateins und stellte den Empfänger enttäuscht zur Seite.

Ab und zu holte ich das Gerät aber zu einem weiteren Test hervor, weil ich es einfach nicht glauben konnte, denn in Richters Buch war zu lesen: "Das Rauschen ist ein sicheres Zeichen für das einwandfreie Funktionieren des Gerätes". Bei einem dieser Tests vernahm ich jedoch plötzlich bei einer bestimmten Stellung des Drehkondensators "magische" Signale.

Diese magischen Signale (audio mp3)
(Der 1000 Hz-Grundton war anfangs noch nicht vorhanden, nur die Steuersignale auf Leerträger, sonst hätte ich den Sender natürlich sofort 'entdeckt'.)

Diese "Musik" konnte gefühlsmässig unmöglich vom Gerät selber erzeugt werden, aber was war es dann? Es dauerte noch drei Monate, bis ich zufällig auf einen Amateurfunker traf, der mich auf die richtige Spur brachte: Diese "Musik" stammte vom 60 km entfernten Autoruf-Sender (Schweizer Vorgänger von Eurosignal) auf dem Säntis im 4 m-Band! Meine Schwingkreisspule war also zu gross. Windung um Windung ging ich von zehn auf sieben zurück und konnte so schliesslich den gesamten UKW-Radio-Bereich erfassen. Zu meinem Erstaunen lag auch der 3 m-BOS-Funk (wahrscheinlich vom 60 km entfernten Konstanz [am Bodensee] im empfangbaren Bereich). Die hohe Empfindlichkeit des Gerätes ermöglichte sogar den eindeutigen Empfang des Hessischen Rundfunks vom Sender Feldberg (im Taunus!) über 345 km. Mein Standort lag am Zürichsee und die Belegung des UKW-Bandes war noch überschaubar.

Das stark modifizierte Originalgerät im Experimentalstadium


Foto: Modifikationen: Noch 'falscher' Drehko, HF-Drosseln, EC 92 statt UAF 42, Vorstufe in Gitterbasis-Schaltung.



Jahre später, das Gerät war schon ordentlich verbastelt, entdeckte ich den lange so sehr vermissten "Spezial-UKW-Drehkondensator, Rotor nicht an Masse" bei der Firma Karl Braun, Nürnberg. Ich klagte dort mein "Leid" (noch per Brief, e-mail gab es noch nicht), machte ein gutes Angebot, da ich zu jener Zeit nicht mehr jede Münze zweimal umdrehen musste und bekam in verdankenswerter Weise umgehend per Post zwei dieser von mir so begehrten Exemplare über die damalige postalisch noch etwas komplizierte Grenze.

Jetzt konnte ich an einen 'sauberen' Neubau gehen. Dabei musste ich wieder feststellen, dass trotz gedrängten Aufbaus und Verwendung des jetzt richtigen NSF-Drehkondensators wieder 3 Windungen zuviel auf der Schwingkreisspule waren. Offensichtlich stimmte die Angabe im Buch nicht.

Dieses Gerät funktionierte wiederum schliesslich einwandfrei und kann auf obigem Link gehört werden. Beim Song 'Moonlight Shadow' wird dabei die Zweideutigkeit der Flankenabstimmung besonders deutlich wahrnehmbar.




Im Sinne der Ausgewogenheit muss auch Kritisches angefügt werden:

Der Name Heinz Richter steht für Quantität und sehr gute Didaktik. Dabei blieb die fachliche Qualität, ebenso die Präzision und Fehlerfreiheit in den Büchern oftmals auf der Strecke. Wohl viele jugendliche Bastler mussten sich über nicht funktionierende Schaltungen ärgern. Nicht zu letzt waren die Allstrom-Schaltungen problematisch.

Einige Beispiele:

Beim Röhreneinkreiser wurde durch Allstromschaltung zwar der teure Netztrafo eingespart, gleichzeitig wurden aber völlig unnötig zwei damals teure Messgeräte in die Schaltung miteinbezogen (siehe Schaltbild weiter oben).

Bei Einkreiser, Zweikreiser und UKW-Pendler lagen die Antennen jeweils über einen primitiven "Schutzkondensator" an Masse und damit zu 50% Wahrscheinlichkeit an der Netzphase. Bei schlechtem Kondensator und etwa gleichzeitger Hantierung mit der Antenne auf dem Dach war dies keine gute Sache.

Beim Superhet wurde leider in der Abgleichanweisung des ZF-Teils NICHT darauf hingewiesen, dass man ein Bandfilter auf viererlei Arten auf Maximum abstimmen kann (beide Spulen-Kerne nach aussen, beide nach innen oder gemischt), geschweige denn gesagt, wie man entsprechend vorzugehen hat und aus welchen Anfangsstellungen der Kerne.

Beim Zweikreiser war die Abgleichanweisung völlig chaotisch (WANN und WARUM ist an den Trimmkondensatoren und WANN und WARUM an den Spulenkernen zu drehen und aus welchen Grundstellungen heraus).

Beim Superhet wurde erwähnt, dass man an Stelle der 40er-Röhrenserie auch die "entsprechende" 80er-Serie ohne Aenderungen verwenden könne. Mindestens bei der ECH 81 (statt der ECH 42) erlebte man dann eine Ueberraschung, die nur von einem erfahrenen Praktiker zu lösen war.

Mitunter wurde bei Neuauflagen unsorgfältig gearbeitet. So erschienen z. B. bei Schaltungen mit E-Röhren der 80er-Serie noch die Sockelschaltbilder der U-Röhren der 40er-Serie, oder es wurde von einer "Zerstörung der Netzgleichrichterröhre" geschrieben, obwohl bereits ein Selengleichrichter im Schaltbild war.

Beim UKW-Pendelrückkopplungsaudion wurde im theoretischen Teil die Zweideutigkeit der Flankenabstimmung (für FM) gut erklärt, um im Teil "Inbetriebnahme" dann wieder völlig falsch dargestellt zu werden.

"Oberhalb von etwa 100 kHz lösen sich elektromagnetische Wellen vom Draht ab". Und darunter? Kannte Richter die Existenz von Längstwellensendern (z.B. SAQ auf 17.2 kHz) nicht?

Aus solchen Gründen lässt sich die Vermutung herleiten, dass Heinz Richter in der Fachwelt etwas kritisch beurteilt wurde und nur mit kurzen Nachrufen gewürdigt.

Das Gesagte soll aber nicht der Tatsache Abbruch tun, dass Heinz Richters Bücher didaktisch hervorragend und spannend zu lesen waren. Vielen Jugendlichen wurden sie zum Wegweiser in eine berufliche Zukunft.


Interessante Biografie zu Heinz Richter [Autor: Peter von Bechen]



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